Die ersten Storchengäste, die Isny vor einigen Jahren besuchten, sollten
heute vorgestellt werden. Aber bis es dazu kommt, will ich doch etwas weiter
ausholen für diejenigen, die die Isnyer Storchengeschichte nicht mehr so ganz
im Kopf haben.
Der "Urvater" der Isnyer Störche, unser Romeo, schlüpfte 1990 in Munster im Elsaß
aus dem Ei. In einem Storchenzentrum wuchs er auf, d. h., er war von klein auf an
Menschen gewöhnt, war es auch gewohnt, Futter von den Menschen zu erhalten
ohne sich auf stressige Futtersuche in Eigenregie zu begeben. Über Romeos erste
Storchenjahre ist nichts bekannt. Irgendwann ist er dann im Storchenzentrum
auf dem Affenberg bei Salem gelandet. Dort hatte er auch eine Partnerin, mit der
er Jungstörche groß zog. Als seine Partnerin starb, gefiel es Romeo nicht mehr in
Salem. Er wollte sich eins der vielen Nester dort erobern, wurde aber von den
Nesterbauern verjagt. Dann machte sich Romeo auf die Suche nach einem neuen
Zuhause und landete eines Tages im Frühjahr 2000 auf dem Kamin des Isnyer
Rathauses. Der zehnjährige Romeo hatte bald eine junge Storchendame an seiner
Seite sitzen, und das war der Beginn einer großen Storchenliebe.
Es war eine zweijährige Schweizerin als Altreu. Die beiden begannen
mit dem Nestbau. Sie hatten bei storchenunfreundlichem Allgäuer
Frühlingswetter nicht immer Glück mit der Jungsstorchaufzucht, konnten aber
trotzdem in 14 gemeinsamen Jahren 17 Jungstörche groß ziehen.
Unser Romeo war kein "normaler" Storch, er hatte viele Eigenarten und Macken.
Und er suchte immer die Nähe "seiner" Menschen, die er sich selber ausgewählt
hatte und die ihn später, als er im Winter nicht mehr ziehen wollte, auch mit
Futter versorgten. Und Romeo verteidigte sein Revier, als er noch jung und fit
war. Fremde Störche, die zu Besuch kommen wollten, wurden stets gnadenlos
in die Flucht geschlagen. Allerdings gab es zu Romeos ersten Isnyer Jahren noch
nicht so viele Störche wie heute. Und Isny zählte damals unterm rotbeinigen Volk
auch noch nicht zu den absoluten Storchenhighlights. Aber wer als Storch nach
Isny zu Besuch kam, der tat gut daran, nicht im Rotmoos zu landen, denn das zählte
zu den heiligen Revieren von Romeo. Ich erinnere mich an eine Beobachtung von 2013.
Romeos Schwiegertochter Finja war auf der Suche nach einem guten Futterplatz
im Rotmoos , nahe der Birkenallee gelandet. Kein guter Plan, denn kaum war sie
gelandet, wurde sie schon von Schwiegervater Romeo in die Flucht geschlagen.
Seitdem war die Wassertorstraße quasi die Grenze zwischen den Revieren von
Papa Romeo und Sohn Finn, die nicht überflogen werden durfte, wenn man auf Futtersuche
ging. Die Finnis suchen ihr Futter noch heute östlich dieser Grenze im Schächele, in
Kleinhaslach, ganz selten sind sie im Rotmoos zu sehen, obwohl der damalige
Revierverteidiger Romeo nicht mehr lebt.
14 Jahre haben wir viele wunderschöne, aber auch traurige Momente mit diesem
ungewöhnlichen Storchenpaar erlebt. am 22. Juni 2014 wurde Romeo tot
auf der Wiese in der Nähe seines Futterplatzes aufgefunden. Viele Storchenfreunde,
denen er ahs Herz gewachsen war, trauerten um ihn. Besonders traurig war natürlich
Julia, die treue Storchendame an seiner Seite. Sie hatte mit ihm in den letzten Jahren
auch im Winter in Isny ausgeharrt, Schnee und Kälte ertragen und sich auch an das
angebotene Futter am Futterplatz gewöhnt. Als Romeo nicht mehr lebte,
zog sie im Winter wieder Richtung Süden. Ich konnte sie zufällig beobachten,
bevor sie sich auf die Reise machte. Sie stand lange reglos und mit hängendem Kopf
an der Stelle, an der der tote Romeo gelegen hatte. Es war ganz offensichtlich, dass
sie immer noch trauerte und nochmal Abschied nahm, bevor sie ins Winterquartier zog.
Es gibt so viele Erinnerungen an die vielen Jahre mit den Störchen, ich glaube,
die storchenfreie Zeit wird nicht ausreichen, um alles zu erzählen!
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