Storchennest auf dem Isnyer Rathausdach

06.12.2021 Drucken E-Mail
Tagebuch
  
Montag, den 06. Dezember 2021 um 21:04 Uhr

Die ersten Storchengäste, die Isny vor einigen Jahren besuchten, sollten

heute vorgestellt werden. Aber bis es dazu kommt, will ich doch etwas weiter

ausholen für diejenigen, die die Isnyer Storchengeschichte nicht mehr so ganz

im Kopf haben.

Der "Urvater" der Isnyer Störche, unser Romeo, schlüpfte 1990 in Munster im Elsaß

aus dem Ei. In einem Storchenzentrum wuchs er auf, d. h., er war von klein auf an

Menschen gewöhnt, war es auch gewohnt, Futter von den Menschen zu erhalten

ohne sich auf stressige Futtersuche in Eigenregie zu begeben. Über Romeos erste

Storchenjahre ist nichts bekannt. Irgendwann ist er dann im Storchenzentrum

auf dem Affenberg bei Salem gelandet. Dort hatte er auch eine Partnerin, mit der

er Jungstörche groß zog. Als seine Partnerin starb, gefiel es Romeo nicht mehr in

Salem. Er wollte sich eins der vielen Nester dort erobern, wurde aber von den

Nesterbauern verjagt. Dann machte sich Romeo auf die Suche nach einem neuen

Zuhause und landete eines Tages im Frühjahr 2000 auf dem Kamin des Isnyer

Rathauses. Der zehnjährige Romeo hatte bald eine junge Storchendame an seiner

Seite sitzen, und das war der Beginn einer großen Storchenliebe.

Es war eine zweijährige Schweizerin als Altreu. Die beiden begannen

mit dem Nestbau. Sie hatten bei storchenunfreundlichem Allgäuer

Frühlingswetter nicht immer Glück mit der Jungsstorchaufzucht, konnten aber

trotzdem in 14 gemeinsamen Jahren 17 Jungstörche groß ziehen.

Unser Romeo war kein "normaler" Storch, er hatte viele Eigenarten und Macken.

Und er suchte immer die Nähe "seiner" Menschen, die er sich selber ausgewählt

hatte und die ihn später, als er im Winter nicht mehr ziehen wollte, auch mit

Futter versorgten. Und Romeo verteidigte sein Revier, als er noch jung und fit

war. Fremde Störche, die zu Besuch kommen wollten, wurden stets gnadenlos

in die Flucht geschlagen. Allerdings gab es zu Romeos ersten Isnyer Jahren noch

nicht so viele Störche wie heute. Und Isny zählte damals unterm rotbeinigen Volk

auch noch nicht zu den absoluten Storchenhighlights. Aber wer als Storch nach

Isny zu Besuch kam, der tat gut daran, nicht im Rotmoos zu landen, denn das zählte

zu den heiligen Revieren von Romeo. Ich erinnere mich an eine Beobachtung von 2013.

Romeos Schwiegertochter Finja war auf der Suche nach einem guten Futterplatz

im Rotmoos , nahe der Birkenallee gelandet. Kein guter Plan, denn kaum war sie

gelandet, wurde sie schon von Schwiegervater Romeo in die Flucht geschlagen.

Seitdem war die Wassertorstraße quasi die Grenze zwischen den Revieren von

Papa Romeo und Sohn Finn, die nicht überflogen werden durfte, wenn man auf Futtersuche

ging. Die Finnis suchen ihr Futter noch heute östlich dieser Grenze im Schächele, in

Kleinhaslach, ganz selten sind sie im Rotmoos zu sehen, obwohl der damalige

Revierverteidiger Romeo nicht mehr lebt.

14 Jahre haben wir viele wunderschöne, aber auch traurige Momente mit diesem

ungewöhnlichen Storchenpaar erlebt. am 22. Juni 2014 wurde Romeo tot

auf der Wiese in der Nähe seines Futterplatzes aufgefunden. Viele Storchenfreunde,

denen er ahs Herz gewachsen war, trauerten um ihn. Besonders traurig war  natürlich

Julia, die treue Storchendame an seiner Seite. Sie hatte mit ihm in den letzten Jahren

auch im Winter in Isny ausgeharrt, Schnee und Kälte ertragen und sich auch an das

angebotene Futter am Futterplatz gewöhnt. Als Romeo nicht mehr lebte,

zog sie im Winter wieder Richtung Süden. Ich konnte sie zufällig beobachten,

bevor sie sich auf die Reise machte. Sie stand lange reglos und mit hängendem Kopf

an der Stelle, an der der tote Romeo gelegen hatte. Es war ganz offensichtlich, dass

sie immer noch trauerte und nochmal Abschied nahm, bevor sie ins Winterquartier zog.

Es gibt so viele Erinnerungen an die vielen Jahre mit den Störchen, ich glaube,

die storchenfreie Zeit wird nicht ausreichen, um alles zu erzählen!